Warum glückliche Momente gut fürs Immunsystem sind

Noch vor gut 50 Jahren waren Wissenschaftler der Ansicht, dass unser Immunsystem komplett autonom arbeitet. Das bedeutet, dass es unabhängig von anderen Regelsystemen in unserem Körper funktioniert.

Das ist definitiv nicht der Fall 🙂 Diese Annahme ist heute schon ganz oft widerlegt worden. Unsere Nervenzellen sind mit unserem Immunsystem vernetzt, sie sprechen quasi dieselbe „Sprache“, reagieren auf die gleichen Botenstoffe, hemmen und aktivieren sich gegenseitig. Es ist allgemein bekannt, dass zum Beispiel belastende Lebensereignisse, wie Trennungen, der Tod eines Angehörigen oder Arbeitslosigkeit die Aktivität des Immunsystems ganz deutlich beeinflussen.

Ebenso ist es bei positiven Ereignissen natürlich möglich, dass unser Immunsystem darauf reagiert. Wenn wir uns entspannen, etwas tun, das uns Spass macht, mit anderen Menschen interagieren, stärkt das unser Immunsystem und es funktioniert effektiver.

Aber wie funktioniert das genau? Dafür müssen wir einen Blick darauf werfen, was auf kleinster Ebene in unserem Körper passiert.

Warum sind die T-Helferzellen wichtig?

Unsere T-Helfershelfern gehören zur Gruppe der T-Lymphozyten und spielen in unserem Immunsystem eine ganz entscheidende Rolle, weil sie unsere Immunantwort auf eindringende Krankheitserreger steuern und modifizieren können. Diese Vorgänge sind sehr kompliziert, deshalb möchte ich hier nur ganz kurz die wichtigsten Aufgaben hervorheben:

>>> TH1-Zellen: Die TH1-Zellen sind für die Abwehr intrazellulärer Erreger und die Beseitigung „kranker“ Körperzellen verantwortlich. Da es sich bei den meisten intrazellulären Erregern um Viren handelt, ist die Aktivität von TH1 typischerweise bei Virusinfektionen erhöht. Auch Tumorzellen haben ein anderes „Erscheinungsbild“ als körpereigene Zellen und werden vom TH1-System erkannt und unschädlich gemacht. Bei Autoimmunerkrankungen ist diese Zellerkennung gestört. Die TH1 Zellen erkennen körpereigene Zellen als körperfremd und greifen sie an. <<<

Eine erhöhte TH1-Aktivität findet man zum Beispiel bei:

  • Hashimoto Thyreoiditis
  • Morbus Basedow
  • Multiple Sklerose
  • Diabetes Mellitus Typ 1
  • Rheumatoide Arthritis
  • Psoriasis
  • Morbus Crohn

>>> TH2-Zellen: Die TH2-Reation ist wichtig für die Abwehr von Erregern, die sich extrazellulär befinden. Dazu gehören die meisten Bakterien, aber auch die allergischen Reaktionen und parasitären Erkrankungen. Bei extrazellulären Erregern  hat es das Immunsystem erst einmal leichter, Freund und Feind zu unterscheiden, als bei den intrazellulären. Es können jedoch auch harmlose Stoffe als vermeintlich gefährlich eingestuft werden und zu einer Immunreaktion führen, wie zum Beispiel bei den Allergien. <<<

Eine erhöhte TH2-Aktivität findet man zum Beispiel bei:

  • Asthma
  • Neurodermitis
  • Heuschnupfen
  • Allergien
  • Nesselsucht
  • Histaminunverträglichkeit

Wie Stress auf unser Immunsystem wirkt

Daß Stress eine ganz entscheidende Wirkung auf unser Immunsystem hat, ist mittlerweile durch ganz viele Studien untersucht und auf unterschiedlichste Weise bewiesen worden.

Grundsätzlich ist es erst einmal so: Werden wir durch Stress in Alarmbereitschaft versetzt, wird unser Sympathikus aktiviert. Die Produktion von Stresshormonen (Katecholaminen) im Nebennierenmark stimuliert zunächst unsere T-Helferzellen vom Typ 1 (TH1) und regt sie zur Ausschüttung proentzündlicher Zytokine an. Das bedeutet also, dass in akuten Stresssituationen, unser Immunsystem erst einmal schnell hochfährt, um uns zu schützen. So sind wir gegen eindringende Krankheitserreger (wie zum Beispiel Viren) kurzzeitig besser gewappnet.

Unser Stresssystem ist aber nicht auf dauerhafte Belastungen ausgerichtet. Eine dauerhafte TH1-Aktivierung (also eine chronische Entzündungsaktivität) möchte unser Körper in jedem Fall vermeiden.

Besteht die Stress Situation also länger, versucht unser Körper, die Entzündungsreaktion der TH1-Zellen einzudämmen und aktiviert die Hypothalamus-Hypophysen-Achse: Es wird Cortisol ausgeschüttet, um unsere TH1-Zellen zu bremsen. Gleichzeitig werden stattdessen die TH2-Zellen aktiviert, die in unserem Abwehrsystem eine andere Funktion haben (TH1/TH2-Shift).

Chronischer Stress führt also zu einer Überaktivität der HPA-Achse (viel Cortisol wird ausgeschüttet). Außerdem kommt es zu einer Verschiebung des immunologischen Gleichgewichts mit einer Unterdrückung der TH1– und Förderung der TH2-Immunantwort. Im Klartext bedeutet das auf der einen Seite weniger Schutz vor viralen Infektionen und auf der anderen Seite beispielsweise verstärkte allergische Reaktionen (wenn eine atopische Prädisposition besteht).

Bleibt dieser Zustand dauerhaft, gewöhnt“ sich die HPA-Achse irgendwann an die Überaktivierung und die Cortisolausschüttung wird insgesamt nach unten reguliert. Bestehende Entzündungen können dann nicht mehr so gut eingedämmt werden, unser Körper ist nicht mehr so gut vor entzündlichen Prozessen geschützt. Das lässt zum Beispiel Autoimmun­erkrankungen aufflammen, kann Alterungsprozesse beschleunigen und chronische Erkrankungen begünstigen. 

Folgen der stressbedingten Veränderungen

Stress modifiziert also unsere Immunantwort ganz entscheidend!!! Er kann unter anderem:

  • Autoimmunreaktionen verstärken oder auslösen
  • allergische Reaktionen aufflammen lassen
  • chronisch entzündliche Prozesse verschlechtern
  • unsere virale und bakterielle Abwehr reduzieren
  • die Wundheilung verlangsamen
  • Unverträglichkeiten verstärken
  • und vieles mehr…

Die (positive) Kehrseite der Medaille…

Wenn wir uns diese (zugegeben) ziemlich negativen Folgen von dauerhaftem Stress anschauen, stellt sich natürlich die Frage nach der Kehrseite der Medaille: Wie können wir diesen Zusammenhang positiv für uns nutzen und unser Immunsystem unterstützen, statt es zu behindern?

Was sind die Mechanismen, die unsere Stressverarbeitung nachweislich effizienter machen und so die Immunfunktion verbessern? Für einige dieser Mechanismen ist eine Wirksamkeit auf das Immunsystem bereits nachgewiesen worden:

Eine wesentliche Rolle scheint der Resilienzfaktor Selbstwirksamkeit zu spielen, das Gefühl, dass man einer Aufgabe, Herausforderung oder eben seiner Erkrankung gewachsen ist. Hat man diese Sicherheit in sich selbst, dann steigen die Cortisolwerte nachweislich unter Stress weniger an.

Zu diesem Gefühl der Selbstwirksamkeit gehört einmal die „Verstehbarkeit„ der Situation, in der man sich befindet. Also in unserem Fall der gesundheitlichen Situation, der eigenen Erkrankung und der Möglichkeiten, die sich uns in diesem Zusammenhang bieten. Weiterhin wichtig ist die „Handhabbarkeit“ der Situation – das Bewusstsein der eigenen Stärken, Ressourcen und Netzwerke. Und die empfundene „Sinnhaftigkeit“ des eigenen Verhaltens – der Glaube daran, dass ich wirklich etwas verändern kann, dass es sich wirklich lohnt, loszugehen.

Fest steht mittlerweile auch, dass unsere (positiven :-)) sozialen Verbindungen unsere Immunfunktion verbessern können. Menschliche Nähe, Integration, das Erleben sozialer Unterstützung, positive Interaktion mit unseren Mitmenschen ist mit geringeren Entzündungswerten verbunden sind und kann somit die Immunabwehr stärken.

Das gilt auch für verschiedene Achtsamkeitstrainings, eine regelmäßige Dankbarkeitspraxis und Bewegung in der Natur.

Meine Sicht der Dinge…

Meiner Erfahrung nach ist es so: Der zentrale Faktor “Stress“ wird nicht von jedem Menschen gleich empfunden. Was von dem einen als sehr belastend bewertet wird, fällt dem anderen gar nicht auf und umgekehrt.

Das bedeutet für mich im Umkehrschluß auch, dass es sehr individuell ist, was wir dem Stress entgegenzusetzen haben und wie wir unser Immunsystem am besten unterstützen können. Die untersuchten Faktoren lassen sich also mit Sicherheit nicht auf uns alle übertragen.

Wie wir uns selbst, unsere Umwelt und die Stressoren, die auf uns einwirken, wahrnehmen ist vollkommen unterschiedlich und individuell. Ebenso wie die Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, die uns die Bewältigung von bestehendem Stress erleichtern. Herauszufinden, was Dir persönlich weiterhilft (und was eher weniger) ist oft gar nicht so leicht. Ansatzpunkte können sein:

  • Was sind Deine ganz persönlichen Charakterstärken?
  • Was bedeutet Gesundheit für Dich?
  • Was bedeutet Deine Erkrankung für Dich?
  • Was Sind Deine ganz persönlichen Bewältigungsmuster und wie kannst Du sie verbessern?
  • Wie kannst Du neue Perspektiven auf Deine Situation erhalten?
  • Welche gesunden Routinen fallen Dir leicht, in Dein Leben zu integrieren?
  • Welche Personen in meinem Umfeld tun mir gut, welche eher nicht?
  • Wie sehe ich mich selbst, meinen Körper, meine Fähigkeiten?
  • und ganz viele mehr…

Aus Erfahrung weiß ich, dass diese recht banal klingenden Fragen manchmal sehr schwer zu beantworten sind. Den meisten Menschen fällt es nicht leicht, beispielsweise die eigenen Charakterstärken zu benennen oder zu spüren, was ihnen wirklich gut tut und was vielleicht weniger.

Die „innere Arbeit“, diese Antworten herauszufinden, kann sehr sehr lohnenswert sein und unser Immunsystem ganz wesentlich unterstützen. Und das ist doch eine gute Nachricht, oder? 🙂