Psychotherapie im Internet – Drei sinnvolle Möglichkeiten

Einen regulären Platz für eine Psychotherapie zu bekommen, kann Monate dauern. Die Praxen sind überlaufen und selbst ein Termin für ein Erstgespräch kann einem geradezu unerreichbar erscheinen. Und das in einer Situation, in der man Hilfe dringend benötigt und vielleicht auch nicht in der Verfassung ist, jeden Tag zehn Praxen abzutelefonieren. Die Alternative einer schnell verfügbaren Psychotherapie im Internet erscheint diesbezüglich erstmal vielversprechend.

Mittlerweile gibt es einige verschiedene Online-Angebote, mit denen sich die Wartezeit überbrücken lässt. Auch während einer Therapie lassen sich Onlineprogramme begleitend einsetzen, oder sind sogar als vollwertige Alternative ausgelegt.

Welche Möglichkeiten für Psychotherapie im Internet gibt es also und wofür sind die genau gedacht? Ich habe mir ein paar für Euch angeschaut:

1. Minddoc by Schön-Klinik

  • Angebot: Online-Therapie per Videokonferenz
  • Schwerpunkte: Depression, Essstörungen, Burnout
  • Kostenübernahme durch Krankenkassen: ja, Selbstzahler möglich

Das Online-Angebot “Minddoc” der Schön-Klinik läuft grundsätzlich in 3 Schritten ab: Selbsttest, persönliches Erstgespräch und schließlich der Start der Online-Therapie.

Der erste Schritt ist der “Selbsttest”. Den gibt es zu allen 3 Schwerpunkten von Minddoc: Depression, Essstörung und Burnout. Hier werden wichtige Symptome und deren Ausprägung abgefragt und anhand der Antworten eingeschätzt, ob die Diagnose tatsächlich vorliegt, oder nicht.

Wird anhand des Selbsttestes ein grundsätzlicher Therapiebedarf festgestellt, dann folgt als nächster Schritt ein persönliches Erstgespräch. Um die Online-Therapie endgültig starten zu können, muss man einen einmaligen persönlichen Termin in einer der Kooperationspraxen der Schön-Klinik wahrnehmen. Die sind über ganz Deutschland verteilt und sollten eigentlich für die meisten Menschen erreichbar sein.

Ich teste kurz die Verfügbarkeit der Termine in Frankfurt und ich hätte direkt online in der folgenden Woche einen Termin vereinbaren können. Wahrscheinlich deutlich schneller, als mir das auf dem regulären Weg möglich gewesen wäre.

Wenn das persönliche Erstgespräch ergibt, dass das Konzept von Minddoc für den jeweiligen Patienten geeignet ist, kann es mit der Psychotherapie im Internet losgehen. Eine Einzelsitzung über Videokonferenz dauert dabei 50 Minuten, wie bei einer normaler Therapie. Wie viele Sitzungen nötig sind, wird dann nach Bedarf individuell entschieden.

2. Mentavio

  • Angebot: Online-Therapie und -Coaching per Videokonferenz, Chat oder Email
  • Schwerpunkte: nicht eingeschränkt, unterschiedlich
  • Kostenübernahme durch Krankenkassen: nein, Kosten werden vom jeweiligen Therapeuten in Rechnung gestellt

Mentavio bietet Zugang zu verschiedenen Psychotherapeuten, Psychologen und Heilpraktikern, bei denen man Termine zu psychologische Beratungen vereinbaren kann. Diese erfolgt dann per Videokonferenz, Chat oder Email. Auch Telefonate sind möglich und die Buchung von persönlichen Terminen bei Therapeuten in Deiner Nähe, wenn das gewünscht sein sollte.

Auch Mentavio bietet einen Selbsttest zu verschiedenen psychologischen Diagnosen, um eine erste Selbsteinschätzung zu treffen.

Bei jedem Therapeuten ist ein kostenloses Erstgespräch möglich, danach belaufen sich die Kosten auf 50-100 Euro pro gebuchter Stunde. Jeder Therapeut hat ein Profil, das man sich vorher anschauen kann, manche Therapeuten haben sogar Videos von sich hochgeladen. So lässt sich zumindest grob abschätzen, ob es zwischen Dir und dem Therapeuten passen könnte. Temine sind sofort verfügbar.

Grundsätzlich muss man wissen, dass bei einem reinen Online-Kontakt bisher in Deutschland keine Diagnosestellung erlaubt ist. Das geht nur über einen persönlichen Termin bei einem Arzt, online sind nur Verdachtsdiagnosen möglich. Deshalb ist bei einem begründeten Verdacht auf eine psychische Erkrankung immer zusätzlich ein Termin in einer Praxis vor Ort notwendig. Auch Rezepte dürfen durch die Therapeuten bei Mentavio nicht ausgestellt werden.

3. Selfapy

  • Angebot: Online-Kurse mit therapeutischer Unterstützung (Chat oder Telefonat)
  • Schwerpunkte: Depression, Essstörungen, Angst und Panik, Stress und Achtsamkeit, Chronischer Schmerz
  • Kostenübernahme durch Krankenkassen: teilweise, je nach Kasse unterschiedlich

Der Name “Selfapy” beinhaltet bereits 2 Worte, nämlich “self” und “therapy”. Das lässt ahnen, dass hier die Eigeninitiative im Vordergrund steht. Tatsächlich unterscheidet sich Selfapy etwas von den anderen beiden Optionen. Es handelt sich um ein dreimonatiges Programm, das in unterschiedlicher Intensität buchbar ist.

Basis ist ein auf drei Monate ausgelegter Onlinekurs zu einem der Schwerpunktthemen, in dem man wöchentlich Inhalte mit Übungen, Videos und Texten erhält. Die müssen natürlich selbständig zuhause bearbeitet und umgesetzt werden. Das Ausmass der begleitenden psychologischen Unterstützung kann man dabei frei wählen und davon hängt dann auch der Preis ab. Es gibt 3 Möglichkeiten:

  • Basis: 69,90 €/Monat (nur Chat mit dem begleitenden Psychologen)
  • Standard: 99,90 €/Monat (2 Telefongespräche mit Psychologen/Monat)
  • Premium: 119,90 €/Monat (4 Telefongespräche mit Psychologen/Monat)

Man arbeitet sich selbständig durch die einzelnen Wochenmodule, die aus Videos,Texten und Übungen bestehen. Zusätzlich hat man die Möglichkeit, dem begleitenden Psychologen über eine integrierte Chatfunktion Fragen zu stellen. Je nach gewähltem Paket sind zusätzliche Telefongespräche möglich.

Fazit

Alle drei Onlineprogramme machen in meinen Augen in unterschiedlicher Weise Sinn. Während Minddoc der klassischen Face-to-Face Therapie am nächsten kommt und als Ersatz gedacht ist, sind Mentavio und Selfapy eher als Ergänzung konzipiert.

Bei Minddoc ist durch das obligatorische persönliche Erstgespräch eine richtige Diagnosestellung möglich, das geht weder bei Mentavio, noch bei Selfapy. Die Psychotherapie wird von der Krankenkasse gezahlt und findet in regelmäßigen Abständen statt – nur im Internet über Videotelefonat, was zumindest annähernd gleichwertig einer Face-to-Face Therapie ist.

Mentavio gibt quasi einen Überblick über verschiedene psychologische Berater und Coaches, durch die recht detallierten Profile hat man einen guten Vergleich. Aufgrund des Kostenfaktors (keine Übernahme durch Krankenkasse) bleibt das ganze aber für die meisten Menschen wahrscheinlich eher auf wenige Termine beschränkt. Vielleicht als Ersteinschätzung oder als Ergänzung zu einer laufenden Therapie? Viele Therapeuten haben auch Praxen, in denen man Vor-Ort-Termine vereinbaren kann, wenn der Bedarf besteht.

Selfapy eignet sich meiner Meinung nach super als Zusatzoption zu einer laufenden Therapie. Vielleicht auch als Überbrückung, bevor die eigentliche Therapie beginnt, oder bei leichteren Problemen als schnell verfügbare Hilfe. Das Konzept Onlinekurs ist gut in den Alltag integrierbar. Was einem das ganze bringt ist trotzdem ein Stück weit auch von der eigenen Motivation abhängig. Ein kostenloses Infogespräch ist vor der Buchung des Kurses möglich und kann klären, ob das ganze etwas für Dich ist.

Übrigens: Selfapy hat auch einen interessanten und gut gemachten Blog zu allen möglichen psychologischen Themen. Reinschauen lohnt sich 🙂