Mein Hausarzt wird digital – Was sich ab 2020 für Patienten ändern soll

Wahrscheinlich habt ihr es schon mitbekommen: Der Bundestag hat am 07.11.2019 das “Digitale Versorgungsgesetz” unseres Gesundheitsministers Jens Spahn beschlossen. 2020 wird es ernst: Das Gesetz sieht eine ganze Reihe von Maßnahmen für die nächsten Jahre vor, und die betreffen Ärzte und Patienten gleichermaßen.

Aber was heißt das eigentlich im einzelnen für uns persönlich und den Kontakt zu unserem Arzt? Welche Änderungen sind genau geplant und auf was kann ich mich einstellen?

Ich habe die wichtigsten Punkte einmal zusammengetragen:

1. Apps auf Kassenrezept

Es ist vorgesehen, dass Dein Arzt Dir bereits ab dem nächsten Jahr verschiedene Gesundheitsapps (wie zum Beispiel Blutzucker-Tagebücher oder Apps zum Monitoring des Blutdruckes) auf einem Kassenrezept verordnen darf. Das heißt, die Krankenkasse übernimmt dann auch erstmal die Kosten für die Nutzung. Natürlich ist das nicht für alle Apps möglich, sondern es gelten verschiedene Vorgaben für die Zertifizierung.

Meinen ausführlichen Artikel zu diesem Thema findest du >hier.

2. E-Rezept für Medikamente und Hilfsmittel

Die Zettelwirtschaft im Gesundheitswesen soll grundsätzlich reduziert werden, wozu es in meinen Augen höchste Zeit ist.

Rezepte für Medikamente und Hilfsmittel sollen in Zukunft direkt online an die zuständigen Apotheken und Krankenkassen übermittelt werden. Denkbar wäre natürlich dann auch die direkte Übermittlung an eine Online-Apotheke, die das benötigte Medikament direkt nach Hause liefert. Gerade Patienten, die nicht so gut zu Fuß sind, könnten hierdurch sehr profitieren. Geplant ist das ganze auch für Hilfsmittelrezepte wie für Prothesen oder Rollstühle.

3. Online-Krankschreibung

Den “gelben Schein” soll es in Zukunft nicht mehr geben. Die Krankmeldung auf Papier soll künftig durch eine digitale Bescheinigung ersetzt werden. Voraussichtlich ab dem Jahr 2021 wird die Krankschreibung digital an den Arbeitgeber und die Krankenkasse übermittelt werden. Dadurch fällt natürlich sowohl für Arbeitgeber und Krankenkassen, aber auch für Ärzte und ihre Patienten eine Menge Papierkram und Potential für Mißverständnisse (wie zum Beispiel durch verlorene und nicht weitergeleitete AU-Scheine) weg.

4. Elektronische Patientenakte

Mit der elektronischen Patientenakte ist es noch so eine Sache…grundsätzlich ist geplant, dass alle medizinische Patientendaten zentral gesammelt und gespeichert werden. Damit könnten Doppeluntersuchungen vermieden werden und das spart uns letztendlich Termine und verringert die Ausgaben im Gesundheitssystem. Außerdem kann es im Notfall lebensrettend sein und beispielsweise bei einem Unfall wichtige Informationen für den Arzt verfügbar machen.

Zur Zeit ist es leider jedoch immer noch so, dass weder die Arztpraxen, noch Krankenhäuser oder Apotheken dafür ausreichend technisch gerüstet sind. Außerdem ist nach wie vor der Datenschutz ein großes Problem. Als Patient sollte man eigentlich die Möglichkeit haben, genau festzulegen, welche Daten die einzelnen Ärzte, Apotheker oder Therapeuten sehen dürfen. Doch genau dieses Feature wird es zur Einführung der elektronischen Patientenakte erstmal nicht geben. An den Start geht zunächst eine vorläufige Form. Schwierig.

5. Online-Sprechstunden

Bereits 2018 wurde das Fernbehandlungsverbot für Ärzte gelockert. Vorher durften Ärzte ihnen unbekannte Patienten nur persönlich behandeln. Seitdem ist eine Beratung und Behandlung über verschiedene Medien „im Einzelfall“ erlaubt, wenn dies “ärztlich vertretbar” ist, die notwendige “ärztliche Sorgfalt” gewahrt wird. Außerdem muss vorher über die “Besonderheiten” einer ausschließlichen Beratung über das Internet aufgeklärt werden.

Damit wurde der Weg für die Telemedizin geebnet und Online-Sprechstunden grundsätzlich möglich gemacht. Trotzdem ist es immer noch für Arztpraxen nicht erlaubt, offiziell Werbung dafür zu machen. Das soll sich im nächsten Jahr ändern, dann können Patienten besser sehen, wer eine Online-Sprechstunde anbietet und wer nicht.

Gerade auf dem Land, wo der nächste Arzt weit entfernt ist, oder auch beispielsweise für gehbehinderte Patienten, könnte sich dadurch eine deutliche Verbesserung der Situation ergeben. Und auch für Ärzte bieten sich viele neue Möglichkeiten, ihre Arbeitsweise individueller zu gestalten.

6. Elektronischer Arztbrief

Fehlenden Arztberichten hinterher zu telefonieren gehört leider in der Praxis zu unserem Arbeitsalltag. Es kostet eine Menge Zeit und führt ganz oft zu Problemen im Behandlungsablauf. Medikamente können nicht verschrieben werden, Untersuchungen verzögern sich und es kommt zu Mißverständnissen.

Arztberichte aus Krankenhäusern und Facharztpraxen werden immer noch hauptsächlich per Fax und per Post versendet, obwohl die digitale Übermittlung schon möglich ist (zum Beispiel über das VPN der kassenärztlichen Vereinigung). Das liegt unter anderem auch daran, dass Ärzte für ein versendetes Fax zur Zeit noch mehr Geld erhalten, als für das Versenden eines elektronischen Arztbriefs. Außerdem mangelt es leider in vielen Praxen noch an der dafür benötigten Technik. Das soll sich in Zukunft endlich ändern und das Versenden eines digitalen Arztberichtes gefördert werden.

…und warum es dabei auf die „Digitale Gesundheitskompentenz“ ankommt

Was mit diesem wenig attraktiv klingenden Ausdruck gemeint ist, ist etwas sehr zentrales, nämlich die Fähigkeit der Menschen, die neuen digitalen Möglichkeiten auch zu nutzen.

Krankenkassen sollen deshalbzukünftig verpflichtet werden, ihren Kunden „Angebote zur Förderung ihrer digitalen Gesundheitskompetenz“ zur Verfügung zu stellen. Die sollen auch den größten Digital-Muffel dazu befähigen, das neue digitale Angebot in ihren Alltag zu integrieren. Wie das im einzelnen aussehen soll, und ob das wirklich bei den betreffenden Menschen ankommen wird, ist meiner Meinung nach zweifelhaft.

Insgesamt ist damit aber etwas sehr wichtiges gemeint, denn lange nicht alle Patienten (und auch lange nicht alle Ärzte) sind in der Lage, digitale Lösungen auch kompentent umzusetzen. Und darauf kommt es schließlich an. Ohne kompetente Anwender bringt leider auch die beste Technik nichts.

Zur Zeit ist die Kluft zwischen dem, was technisch bereits möglich ist, und dem, was in der Praxis von Ärzten und ihren Patienten genutzt wird, oft noch riesengroß. Gerade in den kleinen Praxen wird es die Digitalisierung schwer haben und sich nicht von heute auf morgen durchsetzen können.

Aber genau auf diesen kleinsten gemeinsamen Nenner, nämlich die Interaktion zwischen Arzt und Patient, kommt es am Ende am meisten an. Und die wird sich hoffentlich auf lange Sicht durch die Digitalisierung verbessern.